Ordo Dracul

Kurzüberblick: Suchende, Forschende, die die Welt, den Vampirismus und sich selbst restlos verstehen wollen, um darüber hinauszuwachsen und etwas Neues zu erschaffen.

Besonderheit: Angehörige dieses Bundes sind in der Lage einige der Makel, die der vampirische Zustand mit sich bringt, zu überwinden.

Typische Konzepte:

  • Unsterblicher Wissenschaftler
  • Medium zwischen dem Diesseits und Jenseits
  • Guru mit unglaublichen Fähigkeiten
  • Mittelalterlicher Alchemist
  • Universalgenie
  • Schriftgelehrter Mystiker
  • Selbstoptimierender Bodyhacker
  • Psychoanalytischer Mesmerist

Was den Ordo Dracul antreibt, ist die Auflehnung gegen die Schwächen und Grenzen, die mit dem vampirischen Dasein verbunden sind. Ob sie es für gottgegeben halten oder ein Kuriosum der Natur, für Fluch oder Segen, für eine Besonderheit der Seele oder ein mutiertes Virus, die Angehörigen dieses Bundes finden – jeder für sich oder in durch gemeinsames Denken geformten Forschungskreisen – mehr oder weniger plausible Erklärungen für das, was aus ihnen geworden ist, wie es wohl jeder Anverwandte auf die ein oder andere Art tut. Da für den Ordo Dracul vor allem Ergebnisse zählen, messbare, überprüfbare Erfolge, gibt es kein vereinendes Credo oder keine von allen Praktizierenden unterstützte Theorie des Seins, sondern viele individuelle Theorien, Methoden und Glaubenssysteme.

Ihnen allen geht es jedoch in der Essenz darum, zu verändern, was aus ihnen geworden ist, und immer weiter nach dem zu streben, was aus ihnen werden kann. Sie stemmen sich gegen die Stagnation und Permanenz des Untods und verfolgen den Wandel, einen allgemeinen, weltumspannenden, und einen individuellen, sehr persönlichen Wandel, der sich zuvorderst in der Überwindung der Makel ihres Daseins äußert.

In der Sonne gehen, den eigenen Herzschlag spüren, nicht mehr auf Blut angewiesen sein – Träume, die womöglich jeden Vampir das ein oder andere Mal heimsuchen. Im Ordo Dracul sind dies mehr als Träume. Es sind reale Ziele, die auf dem Weg der Erkenntnis liegen, ein Weg, der davon angetrieben ist, dass alles möglich ist, mit der nötigen Entschlossenheit und Disziplin. Der Weg selbst mag für einige zu einem obersten, endgültigen Ziel führen (dem perfekten Selbst), doch viel öfter ist er bloß das: Ein Weg mit Teilzielen, hinter denen sich stets neue, größere Errungenschaften auftun, dessen Verlauf und dessen Destination sich winden wie der Schweif eines Drachen und selbst dem ewigen Wandel aller Dinge unterworfen sind.

Hierin berufen sich die Bundmitglieder auf Vlad III. Drăculea, auch Vlad Tepes genannt, der, einem autobiografischen Werk zufolge, der erste Vampir war, der seine Schwächen überwand. Er soll ursprünglich den Ordo Dracul gegründet haben, als dunkles Gegenstück zu jenem sterblichen Drachenorden, dem einst sein Vater angehörte und der zur Verteidigung des Christentums geschaffen wurde.

Sowohl der genannte Text als auch der Orden selbst, seine Ausprägungen, seine bloße Existenz, kursieren unter den meisten Anverwandten jedoch höchstens als Gerücht oder Legende, so sie überhaupt davon gehört haben. Das liegt an einer Gemeinsamkeit der ansonsten so unterschiedlichen Angehörigen dieses Bundes: Egal, ob sie sich auf ein konstituierendes „Textbuch“ stützen, eine tatsächliche Ordensstruktur bilden oder durch Intuition oder schiere Willenskraft in akademischer Isolation zu ihren Ergebnissen kommen, in den allermeisten Fällen vermeiden sie es ihre Forschung mit Außenstehenden zu diskutieren. Viele halten sie sogar gezielt geheim.

Das hat den einfachen Grund, dass ihre Errungenschaften Angst, Neid und Misstrauen im Danse Macabre wecken, ganz zu schweigen davon, dass bestimmte Geisteshaltungen ein Überwinden besagter Schwächen unweigerlich als Affront gegen ihr Weltbild sehen. Wer seinen Zustand als Fluch Gottes begreift, muss das Auflehnen dagegen als Frevel wider den göttlichen Plan sehen. Wer seine Raubtiernatur verehrt und danach strebt die perfekte Bestie zu werden, muss einen Sieg über genau diese Bestie als widernatürlich und abstoßend empfinden. Wenn ein derart verdächtiger Anverwandter dann tatsächlich den Schlaf des Tages überwindet, die Angst vor Feuer besiegt oder den Durst nach Blut zum Schweigen bringt, wird er für andere Vampire zu einer nicht einschätzbaren Bedrohung. Die Antwort darauf ist die Unterdrückung und Vernichtung solcher Bestrebungen, wo immer sie sich zeigen. Suchende, die wahrhaft fündig werden, tun nicht selten gut daran, ihre Errungenschaften auf dem Weg zur Vollkommenheit nur mit Gleichdenkenden zu teilen – oder gar nicht.